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Im menschlichen Darm tummeln sich Milliarden nützlicher Bakterien, von denen viele durch eine Antibiotikatherapie zerstört werden. Ob und wie sich die Darmflora anschließend erholt, hat ein Forschungsteam unter Beteiligung des MDC untersucht.
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Der Verdauungstrakt des Menschen beherbergt ein Universum winzigster Lebewesen. Fast immer dienen die Keime dem Wohl ihres Gastgebers. Doch der Mikrokosmos im Darm, das Mikrobiom, ist ein störanfälliges Gebilde. „Gerät es aus dem Gleichgewicht, drohen Infektionen, Übergewicht und Diabetes sowie entzündliche und neurologische Erkrankungen“, sagt Dr. Sofia Forslund, die im Mai dieses Jahres vom European Molecular Biology Lab (EMBL) in Heidelberg ans Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin wechselte und die komplizierten Wechselwirkungen zwischen Mensch und Mikrobiom erforscht.

In der in „Nature Microbiology“ veröffentlichten Studie hat Forslund gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen aus Dänemark, Deutschland und China untersucht, wie sich eine Therapie mit Breitband-Antibiotika auf das Zusammenspiel der Darmbakterien auswirkt. „Wir konnten zeigen, dass sich das Mikrobiom ein halbes Jahr nach der Medikamentengabe fast vollständig erholt hatte“, berichtet die schwedische Forscherin. Aber eben nur fast: „Einige empfindliche Bakterienarten blieben dauerhaft verschwunden“, sagt Forslund.

Für die Untersuchung verabreichte das Team um die MDC-Forscherin und zwei Wissenschaftler der Universität Kopenhagen zwölf gesunden, jungen Männern, die sich zur Teilnahme an der Studie bereiterklärt hatten, über vier Tage hinweg einen Cocktail aus drei Antibiotika: Meropenem, Gentamicin and Vancomycin. Anschließend untersuchten die ForscherInnen das Mikrobiom ihrer Probanden sechs Monate lang. Mittels DNA-Sequenzierung bestimmten sie zum einen, welche Bakterienarten sich im Darm der Männer aufhielten, und zum anderen, welche Gene in den Bakterien vorhanden waren. Besonderes Augenmerk legte das Team dabei auf die Resistenz-Gene, mit denen sich die Keime gegen Medikamente zur Wehr setzen. „Unsere Studie ist vermutlich die erste, die den Einfluss von Antibiotika auf die Gene von Bakterien untersucht hat“, sagt Forslund.

Zunächst einmal habe sich gezeigt, dass der Darm trotz der Verabreichung dreier stark wirksamer Antibiotika nicht vollständig steril geworden sei, berichtet die Forscherin. Unter den verbliebenen Bakterien entdeckte das Team sogar einige bislang unbekannte und noch nicht näher charakterisierte Arten. Andere Keime schrumpften und verwandelten sich zu Sporen – einer Lebensform, in der Bakterien bei schlechten Bedingungen viele Jahre verharren können, ohne ihre ursprünglichen Eigenschaften zu verlieren.

Die anschließende Wiederbesiedelung des Darms erfolgte stufenweise. Zuerst tauchten allerdings vermehrt Bakterien auf, die krankmachende Eigenschaften besitzen, Enterococcus faecalis and Fusobacterium nucleatum beispielsweise. Gleichzeitig konnte das Team in den Mikroorganismen besonders viele Virulenzfaktoren ausmachen – also Strukturen und Stoffwechselprodukte, die dem Menschen eher schaden. „Diese Beobachtung erklärt gut, warum die meisten Antibiotika Magen-Darm-Störungen hervorrufen“, sagt Forslund.

Mit der Zeit normalisierte sich die Darmflora wieder. Die schlechten Keime wurden mehr und mehr durch gute Bakterien wie beispielsweise die Milchsäure produzierenden Bifidobakterien ersetzt, die Krankheitserreger fernhalten. Nach sechs Monaten war das Mikrobiom der Probanden nahezu wieder das alte. Es fehlten jedoch nicht nur ein paar der früher vorhandenen Arten. „Auch die Anzahl der Resistenz-Gene hatte sich in den Bakterien erwartungsgemäß erhöht“, berichtet Forslund. (idw) Jutta Kramm
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft Originalpublikation: Albert Palleja et al. (2018): "Recovery of gut microbiota of healthy adults following antibiotic exposure.“ Nature Microbiology 3. doi: 10.1038/s41564-018-0257-9 https://dx.doi.org/10.1038/s41564-018-0257-9