Neue Forschungsergebnisse haben eine Ursache für Spontanaborten herausgefunden.
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Es gibt Frauen, die zwar leicht schwanger werden, aber ihr Kind in den ersten Monaten verlieren. Das gilt für fünf Prozent der Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch. Warum sie unter immer wiederkehrenden Spontanaborten leiden, bleibt selbst nach intensiver Untersuchung oft rätselhaft. Allerdings hat ein Forscherteam des LMU-Klinikums nun eine Ursache des rätselhaften Phänomens aufgeklärt: Manche der Frauen produzieren offenbar Abwehrstoffe (Antikörper) gegen ein ganz bestimmtes Oberflächenprotein in den Zellen des Mutterkuchens. Die Entdeckung könnte mittel- bis langfristig zu einer neuen, gezielten Therapie führen. Der Mutterkuchen (Plazenta) bildet das Grenzgewebe zwischen der Blastocyste – einem frühen Stadium der Embryonalentwicklung – und der Gebärmutterwand, also auch dem mütterlichen Blut. Doch manche der Frauen mit mehreren Spontanaborten produzieren Antikörper gegen einen Teil der Plazenta, den Trophoblasten. In vorangegangenen Untersuchungen hatten Forscher vom LMU-Hormon- & Kinderwunschzentrum Großhadern bei 17 % der Frauen mit zwei oder mehr aufeinanderfolgenden Aborten solche Antikörper nachgewiesen. Und sogar bei 34 % der Frauen mit drei oder mehr aufeinanderfolgenden Fehlgeburten wurden sie entdeckt, ohne dass zunächst klar war, wogegen genau sich diese Antikörper richteten. Dies aufzuklären ist nun einem Team um Prof. Dr. Udo Jeschke, Dr. Viktoria von Schönfeldt und Doktorandin Yao Ye gelungen: Bei Frauen mit mehreren Spontanaborten produzieren die Zellen des Trophoblasten das Protein Alpha-Enolase – und transportieren es an ihre Oberfläche. Dort erkennt es das Immunsystem versehentlich als „feindlich“ und produziert die beschriebenen Auto-Antikörper. Neue Studie mit bekannten Medikamenten
Das Spannende: Die Alpha-Enolase ist ein Molekül, das auch im Krankheitsgeschehen weiterer wichtiger Autoimmunerkrankungen beteiligt ist – zum Beispiel bei Rheumatoider Arthritis oder bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie der Colitis ulcerosa. „Auch hier werden Antikörper gegen die Alpha-Enolase gebildet“, sagt Udo Jeschke. In diesem Sinne gibt es bereits zahlreiche Medikamente, die diesen Prozess und seine negativen Effekte reduzieren oder stoppen. Das Münchner Team will so rasch wie möglich prüfen, ob diese Medikamente für eine Behandlung von Schwangeren, die Auto-Antikörper gegen die Alpha-Enolase haben, in Frage kommen – und in klinischen Studien weiter untersucht werden können. Was betroffene Frauen jetzt machen können
Schon jetzt raten die Forscher Frauen mit mehreren Aborten in der Vergangenheit, sich bei einer erneuten Schwangerschaft etwa bei einem Rheumatologen auf Antikörper gegen die Alpha-Enolase testen zu lassen. „Der ungeklärte Verlust eines ungeborenen Kindes führt zu einer hohen seelischen Belastung“, erklärt Viktoria von Schönfeldt, „die Diagnose von Auto-Antikörpern bedeutet dann zumindest eine große Erleichterung.“ Darüber hinaus geben Ärzte den betroffenen Frauen seit einigen Jahren sogenannte gepoolte polyvalente Immunglobuline – gebräuchliche Gemische von Antikörpern aus Spenderinnen-Blut. Manche der behandelten Frauen gebären nach dieser unspezifischen Therapie gesunde Kinder – höchstwahrscheinlich, weil die Immunoglobuline die Antikörper gegen Alpha-Enolase unschädlich machen. Deutsches Gesundheitsportal, Technische Universität München Literatur: Anti ?-Enolase antibody is a novel biomarker for unexplained recurrent miscarriages. Ye Y, Kuhn C, Kösters M, Arnold GJ, Ishikawa-Ankerhold H, Schulz C, Rogenhofer N, Thaler CJ, Mahner S, Fröhlich T, Jeschke U, von Schönfeldt V. Accepted for Publication by EBioMedicine,
DOI: https://doi.org/10.1016/j.ebiom.2019.02.027
Antitrophoblast antibodies are associated with recurrent miscarriages. Rogenhofer N, Ochsenkühn R, von Schönfeldt V, Assef RB, Thaler CJ. Fertil Steril. 2012 Feb;97(2):361-6. doi: 10.1016/j.fertnstert.2011.11.014. E-pub 2011 Dec 9