GEHWOL Diabetes-Report 2021-2022
Vier von fünf Fuß-Amputationen könnten bei Diabetikern verhindern werden. Das zeigen studienbasierte Schätzungen [1]. Voraussetzung u.a.: Risikobewusstsein! Und da hapert es laut aktuellem GEHWOL Diabetes-Report [2]. In puncto Aufklärung gibt es Luft nach oben. Einem Drittel der Diabetiker ist nicht klar, dass den Füßen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Kontrolluntersuchungen werden häufig nicht wahrgenommen, empfohlene Maßnahmen zur Identifikation von Risikopatienten finden nicht bei jeder Untersuchung statt.

Die Zahl der von Diabetes Betroffenen steigt stetig. Aktuell haben in Deutschland etwa
8 Mio. Menschen einen Typ-2-Diabetes. Der Diabetes birgt Risiken für Folgeschäden. Eine besonders schwerwiegende Komplikation ist das Diabetische Fußsyndrom, kurz DFS. Das Krankheitsbild entwickelt sich meist nach langjährig bestehendem Diabetes. Dabei spielt das gleichzeitige Bestehen einer diabetischen Nervenschädigung (Polyneuropathie), einer diabetischen Gefäßinsuffizienz (Makro- u. Mikroangiopathie) sowie eines geschwächten Immunsystems eine bedeutende Rolle. Schlecht heilende Hautläsionen wie z.B. Xerosis (trockene Haut) oder Callus (kompakt verhärtete, übermäßige Hornhaut), die unter diesen Voraussetzungen entstehen, können sich zu Fußwunden (Ulzera) und schließlich zu schweren entzündlichen Gewebsdefekten (Nekrosen) entwickeln. Im schlimmsten Fall führen derartige Prozesse zu einer vollständigen oder teilweisen Fuß-Amputation. Noch immer finden etwa zwei Drittel aller Amputationen bei Diabetikern statt. Vier von fünf Amputationen könnten laut einer Studie durch rechtzeitige Prävention und entsprechendes Risikomanagement vermieden werden [1].
Key Findings
- 37% der Patienten ist nicht klar, dass sie auf ihre Füße besonders achten müssen.
- 46% der Patienten werden podologisch versorgt.
- 22% der Patienten erhalten eine spezielle Schuhversorgung.
- 33% der Patienten erhalten eine Schulung zur Fußinspektion und Hygiene.
- 14% der der Ärzte beurteilen die Schuhversorgung der Patienten mit ungenügend.
- 57% der Ärzte klären alle Patienten über Maßnahmen zur Fußinspektion und –
Pflege auf, 43% nur Patienten mit erkennbarem Ulkus-Risiko / Risikopatienten. - 39% der Ärzte raten zur podologischen Behandlung nur, wenn ein Verordnungsanspruch
besteht und den Patienten ein Rezept ausgestellt werden kann. - 19% der Ärzte veranlassen eine integrierte Fuß-Versorgung inkl. professioneller
Fußpflege, angemessener Schuh-Versorgung und systematischer Aufklärung. - 86% der Ärzte sehen in podologischen Vorsorgeuntersuchungen generell ab Erstdiagnose
eine Chance zur Verbesserung der Primär-Prävention. - 79% der Ärzte sehen eine weitere Chance zur Verbesserung der Prävention auch
darin, Angehörige in die Diabetiker-Schulung mit einzubeziehen.
Rechtzeitige Prävention noch immer lückenhaft
Risikobewusstsein und Verhalten der Patienten haben größten Einfluss auf die Ergebnisse, wenn es darum geht, Fußkomplikationen zu verhindern. Darüber besteht laut aktuellem GEHWOL Diabetes-Report absolute Einigkeit unter den Ärzten. Beim Risikobewusstsein und dem Vorsorgeverhalten der Patienten hapert es jedoch beständig und das, obwohl 23% der Betroffenen als Risikopatienten für ein DFS gelten.
Auch das zeigt der aktuelle GEHWOL Diabetes-Report, der alle zwei Jahre erhoben wird.
Risikofaktoren wie Neuropathie (30%), Mikroangiopathie (21%), Makroangiopathie (19%), Hauttrockenheit (52%), Hornhautschwielen (46%), Druckfehlbelastungen (40%), eingeschränkte Gelenkmobilität (26%) sowie Fuß- oder Nagelpilz (37%) sind weit verbreitet. Über die Gefahren, die von diesen Symptomen ausgehen, wissen allerdings laut Schätzung der im Report befragten Ärzte viele Betroffene noch immer nicht Bescheid.
37% der Patienten ist nicht klar, dass sie auf ihre Füße achten müssen (zum Vergleich 2017: 38%; 2019: 33%). 39% der Betroffenen wissen nicht, was ein Ulkus ist und wie er entsteht (2017: 56%, 2019: 39%). Insgesamt sind weniger als die Hälfte der Diabetiker nach Einschätzung ihrer Ärzte gut informiert und wissen über die Risiken einer Fuß-Läsion Bescheid. Angesichts dieser Daten aus dem neuen GEHWOL Diabetes-Report
verwundert es nicht, dass auch nur 21% der Ärzte ihren Patienten ein gutes Bewusstsein speziell für die Fußpflege attestieren. Von 14% gibt es die Note 5, mangelhaft.

Optimierungschancen für die Prävention
Eine Stärkung der interdisziplinären Behandlung und Beratung bietet Potenzial, um Fortschritte bei der Primär-Prävention von Fußproblemen zu erzielen. Diese Schlussfolgerung ist konsequent angesichts der Bedeutung, die Ärzte vor allem der podologischen Behandlung, aber auch der Aufklärung durch geschulte Diabetesberater zuerkennen. Podologische Vorsorgeuntersuchungen generell bei Erstdiagnose ist ein Ansatz, den die
meisten der befragten Ärzte zur Stärkung der Prävention befürworten. 86% von ihnen vertreten diese Meinung. Auch eine bessere Vergütung der Fachkreise für beratende Tätigkeiten könne hilfreich sein, sagen 71%. Für die Schulung durch Diabetesberater sollten die Kostenübernahme einheitlich geregelt (56%) und zudem mehr fußspezifische Fortbildungen für die Leistungserbringer angeboten werden (45%). Bedarf besteht, denn
laut 61% der Ärzte kommt gerade die Anleitung zu verletzungsfreier Fußpflege in den Schulungen häufig zu kurz. In dem Zusammenhang könnte es auch hilfreich sein, die Angehörigen einzubeziehen. Auf Patientenseite sei jedoch zu beobachten, dass tatsächlich auch nur etwa ein Drittel der Diabetiker überhaupt eine solche Schulung erhält.
Quellen:
[1] Mohamad A. et al. Population-based secular trends in lowerextremity amputation for
diabetes and peripheral artery disease. CMAJ Sep 2019; 191 (35): E955-E961;
DOI: 10.1503/cmaj.190134
[2] GEHWOL Diabetes-Report 2021-2022. Strukturierte standardisierte schriftliche Befragung
mit n = 2.793 Patienten via n = 107 Ärzte. Erhebung und Auswertung durch
IDS Deutschland und Insight Health. Juni bis August 2021. Im Internet / Download:
https://www.gehwol.de/Aktuelles/Diabetischer-Fuss-Praevention-und-Pflege-Report-2021