Im Frühjahr 2021 ging ein (Hilfe)Ruf von Fabiola Velasquez in die Welt hinaus: Auf Lesbos werden dringend Therapeuten zur Behandlung von Geflüchteten gebraucht. Die Botschaft kam an. Auch bei Beatrix Szabo, Heilpraktikerin und Homöopathin aus Regensburg, die seit vielen Jahren in der Flüchtlingshilfe engagiert ist. Unter anderem für Space-Eye – ein gemeinnütziger Verein, der sich in unterschiedlichen Projekten für Menschen einsetzt, die ihre Heimat aufgrund von Kriegen, Verfolgung oder Unterdrückung verlassen mussten und es irgendwie in die Flüchtlingslager der europäischen Anrainerstaaten geschafft haben. Was als rettender Zufluchtsort angesteuert wird, entpuppt sich schnell als Fortsetzung der Tortur – spätestens seit dem verheerenden Brand im Lager Moria auf Lesbos im September 2020, der groß durch die Medien ging und auf Bildschirmen weltweit flackerte, ist klar: Die Zustände in den provisorischen Unterkünften sind furchtbar.

„In unserer Familie war das Thema „Vertrieben-Sein und Flucht“ alltäglich, wir Geschwister sind damit aufgewachsen, nicht in die Heimat meines Vaters zurück zu können. Obwohl ich glücklich verwurzelt bin in der Heimat unserer Mutter, bleibt ein Rest Sehnsucht. Diese Erfahrung hat mich schon in jungen Jahren motiviert, Krankenschwester zu werden um Menschen in Not zu helfen – und später um mich weiterzubilden in Psychotherapie und Homöopathie. Jetzt freue ich mich, nach vielen Jahren in eigener Praxis, in der Lage zu sein bei Space-Eye meine langjährigen Erfahrungen einzusetzen und humanitäre Hilfe auf Lesbos zu leisten.“ Gisela Leiter, Heilpraktikerin, Homöopathin, Bremen
Auf Lesbos ist der Zustrom aus Ländern wie Syrien, Afghanistan und dem Iran gewaltig – nur der Golf von Edremit, an der schmalsten Stelle gerade mal 9 km breit, liegt zwischen der drittgrößten Insel Griechenlands und der Türkei, über die viele der Geflüchteten kommen. Deswegen versuchen die Menschen aus den Krisenregionen, genau hier die Grenze nach Europa zu überwinden – nachts, in kleinen Schlauchbooten. Wenn sie dabei nicht von der griechischen Küstenwache oder Frontex (Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache), entdeckt und in türkische Gewässer zurückgedrängt werden, landen sie auf Lesbos in dem Lager, das nach der Brandkatastrophe im September 2020 errichtet wurde. Im Vergleich zu Moria hat sich hier die Situation für die Menschen trotz vieler Versprechungen und Subventionen nicht verbessert, weswegen sich der offizielle Name des Lagers nicht durchgesetzt hat. Man spricht stattdessen von Moria 2.0.
Earth Medicine bietet therapeutische Hilfe
Fabiola ist so etwas wie der gute Engel des Lagers. Sie hat Earth Medicine gegründet, eine NGO (Non-Governmental Organisation – Deutsch: Nichtregierungsorganisationen), unter deren Dach sie in Mytilini, der Hauptstadt von Lesbos, eine Praxis für Physiotherapie betreibt. Zum Lager sind es nur wenige Kilometer. Sie hat ein Behindertentransportfahrzeug und holt damit diejenigen in ihre Behandlungsräume, die aufgrund von Folter, Schussverletzungen, Bombensplittern oder dramatischen Unfällen auf der Flucht schwer verletzt oder verstümmelt wurden. Zum Teil sitzen sie im Rollstuhl, zum Teil gehen sie an Krücken. Fabiola und ihr Team versuchen, sie zu mobilisieren. Mehr als das: Sie schenken Hoffnung, Zuversicht, ein Lächeln. Sie verabreichen grüne Smoothies, um der Mangelernährung im Lager etwas entgegenzusetzen. Sie bieten einen Zufluchtsort, an dem man zuhört und die Ängste, Schmerzen und Bedürfnisse der Menschen ernst nimmt. Mit Hilfe von Spendengeldern wird all das möglich gemacht – aber auch der ehrenamtliche Einsatz von Therapeuten und Freiwilligen ist ein wichtiger Bestandteil, damit die Arbeit vor Ort funktioniert und möglichst viele Patienten behandelt werden können.

„Meine Motivation für das Space-Eye Health Network zu arbeiten, ist, einen kleinen Beitrag zu leisten, die Welt ein bisschen besser zu machen.
Die Kombination der verschiedenen Therapieansätze im Space-Eye Health Network ist ein schönes Beispiel dafür, wie menschliche Behandlung in der humanitären Hilfe aussehen kann. Hier geht es in erster Linie um das Patientenwohl und nicht darum, das Ego der Therapeuten zu befriedigen. Das sollte Schule machen!“ Sabine Rossen, Heilpraktikerin, Homöopathin, Lübeck
Therapeuten vom Space-Eye Health Network im Einsatz auf Lesbos
Space-Eye ist einer der Unterstützer von Earth Medicine. Und hat nun das Space-Eye Health Network ins Leben gerufen, das in den Räumen von Earth Medicine eine Homebase findet. Therapeuten aus unterschiedlichen Bereichen kommen hier zusammen, um auf Lesbos zu helfen. Unter anderem mit Homöopathie, Körpertherapie, Akupunktur, Energiearbeit.
Für Beatrix Szabo ist es ein Herzensprojekt. Sie ist schon mehrfach auf Lesbos gewesen, um zu behandeln. Zusammen mit anderen engagierten Therapeuten der ersten Stunde, die am Aufbau des Health Networks beteiligt sind, hat sie die Not gesehen, die herrscht. „Dem müssen wir begegnen. Es geht nicht, dass wir die Menschen hier ihrem Schicksal überlassen, einfach wegsehen und so tun, als gebe es das Elend nicht, das hier herrscht“, sagt die energiegeladene Homöopathin. „Mit vielen helfenden Händen können wir viel bewegen, Leid lindern.“

„Jeden Morgen Zeitungsberichte über die Katastrophen auf dieser Welt lesen zu müssen, ohne etwas tun zu können, ist für mich schwer zu ertragen. Selbst wenn ich allein nur wenig bewegen kann, ist es gut, aktiv zu werden. Und gemeinsam mit anderen können wir etwas zum Positiven verändern.“ Martina Günther, Heilpraktikerin, Homöopathin & Krankenschwester, Hagen
Die Realität im Lager ist hart
Und Leid gibt es reichlich: Bei den psychischen Erkrankungen stehen Traumata und Depressionen an erster Stelle. Körperliche Leiden sind vor allem Schmerzzustände, Hautausschläge, Verletzungen und Verbrennungen, offene Wunden, Abszesse, Durchfall- und Atemwegserkrankungen, die nicht selten aus den katastrophalen hygienischen Verhältnisse in dem Camp resultieren. Der Winter dort ist schlimm, für Kälte und anhaltende Regenfälle sind die Unterkünfte, besonders die Zelte des Lagers, nicht gemacht. Im Hochsommer ist es nicht viel besser, es stehen kaum Bäume auf dem Gelände, damit fehlt es auch an Schatten. Strom steht nur stundenweise zur Verfügung, dann laufen die Ventilatoren heiß. Es gibt ausschließlich Chemietoiletten. Die Waschgelegenheiten sind weit verstreut, mit Rollstuhl oder Gehhilfen kaum zu erreichen. Auch, weil der Boden an vielen Stellen mit grobem Kies bedeckt ist, in dem man mit Rollstuhl oder auch Kinderwagen einfach steckenbleibt. Das komplette Camp ist eingezäunt, kilometerweise Stacheldraht, und zum Teil zusätzlich von einer hohen Mauer umgeben. Die Polizei bewacht alles rund die Uhr – von „Refugees welcome“ ist wenig zu spüren.
„Mein ehrenamtliches Engagement begann vor fast 20 Jahren in Kenia, später kam die homöopathische Behandlung von Geflüchteten in Deutschland dazu. Durch die Begegnung und die Geschichten dieser Menschen wird mir immer wieder bewusst, was im Leben wirklich wichtig ist und welchem Zufall es letztendlich zu verdanken ist, ob man in Frieden und Freiheit leben kann oder eben nicht. Da ich hier zufällig „Glück“ habe und darüber hinaus Wissen und Fähigkeiten mitbringe, um Geflüchteten mit ihren körperlichen und seelischen Beschwerden zu helfen, teile ich dies gerne – jetzt auch durch meine Arbeit im Space-Eye Health Network auf Lesbos!“ Birgit Aztl, Heilpraktikerin, Homöopathin & PEP-Therapeutin, Nürnberg
Earth Medicine spendet nicht nur Hilfe, sondern auch Hoffnung
All das belastet die Menschen, die hochgradig traumatisiert sind, zusätzlich. Auch deshalb nehmen sie die therapeutische Unterstützung, die ihnen geboten wird, dankbar an. Diese Dankbarkeit artikuliert sich in Gesten und einem Blick, der mehr sagt als 1.000 Worte. „Englisch können die wenigsten, aber es reicht immer für folgende Frage: “What“s your name?“ „Sabine.“ „Thank you, Sabin, thank you, thank you, thank you.“ Nach solchen Begegnungen weiß man, warum man sich hier engagiert“ so Sabine Rossen, die als Heilpraktikerin und Homöopathin zum Team des Space-Eye Health Networks gehört. „Man hat wirklich das Gefühl, dass man von Herz zu Herz kommuniziert. Und für diesen kleinen Moment das Glück größer ist als das Leid, auf beiden Seiten.“
Text von Susanne Berndl
Mehr über das Engagement des Space-Eye Health Networks
Interview mit Hans-Peter Buschheuer, Sprecher von space-eye.org
Wer sich als Therapeut ehrenamtlich einbringen möchte, wendet sich an
health-network@space-eye.org
Spenden unterstützen die Arbeit vor Ort
Space-Eye e.V.
Volksbank Raiffeisenbank Regensburg-Schwandorf eG
DE53 7509 0000 0001 0491 51 Betreff: Health
GENODEF1R01
Die humanitäre Arbeit von Space-Eye e.V. ist vom Finanzamt Regensburg als gemeinnützig anerkannt. Spenden an Space-Eye sind daher steuerlich abzugsfähig.
Auch Sachspenden werden gerne genommen. Vor allem Kleidung, Lebensmittel, Schlafsäcke und Hygieneartikel. An den Abgabestellen sucht man immer wieder Helfer, die mit anpacken, sortieren und Pakete zusammenstellen.