Viele Frauen wünschen sich bei sensiblen „Frauenthemen“ wie Schwangerschaft oder in den Wechseljahren eine möglichst natürliche und zugleich sichere medizinische Unterstützung. Wie Homöopathie hier optimal eingesetzt werden kann, erläutert die Fachärztin für Frauenheilkunde und ärztliche Homöopathin Dr. Ute Bullemer.

Wie sind Sie zur Homöopathie gekommen?
Wenn ich ehrlich bin, war ich während meines Studiums nicht sehr aufgeschlossen gegenüber Homöopathie. Es gab an meiner Universität einen Arbeitskreis Homöopathie, doch damals hielt ich davon noch nichts. Das änderte sich schon bei meiner ersten Stelle an einer Klinik in München. Ich arbeitete auf der Geburtsstation eng mit den Hebammen zusammen. Und wenn diese homöopathisch versiert waren, bekamen die von ihnen betreuten Frauen ihre Kinder leichter und waren auch besser versorgt. Das machte mich neugierig. Einige Zeit später eröffnete ich dann meine erste eigene Praxis in München. Und stellte fest: Manchen Frauen konnte ich allein mit der konventionellen Medizin nicht wirklich helfen. Frustriert suchte ich also nach neuen Wegen – und bekam dann durch eine persönliche Erfahrung den entscheidenden Impuls: Ich litt als junge Frau unter sehr starken Periodenschmerzen. Als ich mich schließlich homöopathisch behandeln ließ, verschwanden sie. Das hat mich davon überzeugt, eine homöopathische Ausbildung zu machen.
Sie arbeiten integrativ, vereinen in Ihrer Arbeit konventionelle Medizin, Naturheilkunde, Homöopathie und Psychotherapie. Können Sie das näher erläutern?
Ich vergleiche das gerne mit einem Hocker. Je mehr Beine er hat, umso stabiler steht er. Die konventionelle Medizin ist ein Bein – doch damit steht der Hocker eben noch sehr wacklig. Naturheilkunde und besonders die Homöopathie ist ein zweites und zudem sehr starkes Bein. Mit Homöopathie kann ich Frauen in fast jeder Gesundheitssituation sanft und wirkungsvoll unterstützen. Die Psychosomatik ergänzt meinen Hocker um ein weiteres Stuhlbein, sodass er sehr stabil ist. Ich kann so aus dem Vollen schöpfen und entscheiden, was wem wann am besten hilft.
Welche weiblichen Beschwerden lassen sich mithilfe der Homöopathie gut behandeln?
Da sind zunächst einmal alle funktionellen Beschwerden, bei denen wir keine organischen Veränderungen sehen. Das können beispielsweise Wechseljahresbeschwerden sein, Probleme mit zu starken, mit schwankenden oder schmerzenden Monatsblutungen. Aber etwa auch bei wiederkehrenden Blasenentzündungen hat sich die Homöopathie in meiner langjährigen praktischen Erfahrung sehr bewährt.
Dabei arbeite ich immer mit einem integrativen Ansatz, denn jede Heilmethode hat ihre Stärken und Schwächen: Mit den konventionellen Mitteln kann ich beispielsweise im Akutfall bei einer Blasenentzündung oder einem Vaginalpilz gut und schnell reagieren. Aber wenn Frauen sehr häufig damit zu kämpfen haben, die Entzündungen immer wiederkehren, habe ich mit der Homöopathie eine wunderbare Therapie zur Hand. Wenn ich homöopathisch behandle, rege ich den Körper an, sich selbst zu heilen: Über sanfte Impulse soll der Organismus in die Lage versetzt werden, wieder in Balance zu kommen. Das funktioniert meiner Erfahrung nach bei Regulationsstörungen, die ja oft die Ursache von typischen Frauenleiden sind, hervorragend. Die Kunst ist, das individuell richtige Mittel zu finden. Eine gute homöopathische Ausbildung finde ich daher sehr wichtig und unterrichte daher auch seit vielen Jahren Fachgruppen wie Ärzte, Apotheker, Hebammen und Heilpraktiker zur Homöopathie.
Wann stößt die Homöopathie an ihre Grenzen?
Es gibt Situationen in der Geburtshilfe, wo die konventionelle Medizin die bessere Wahl ist, etwa wenn aufgrund der Geburtslage des Kindes ein Kaiserschnitt nötig ist. Oder bei Infektionen: Hier ist manchmal schnelle Hilfe wichtig und Antibiotika sind sicher, gut und effizient. Auch einen Krebs würde ich niemals allein homöopathisch behandeln. Ergänzend zur konventionellen Medizin lassen sich aber beispielsweise die Nebenwirkungen einer Chemo- oder Strahlentherapie, wie etwa Übelkeit, gut mit Homöopathie lindern.
Wann und wie setzen Sie Homöopathie ein, um Frauen während ihrer Schwangerschaft zu begleiten?
Die Homöopathie kann da in vielen Bereichen eingesetzt werden. Sie eignet sich während der Schwangerschaft in besonderem Maße, weil sie anders als viele Mittel aus der Naturheilkunde und konventionellen Medizin unbesorgt gegeben werden kann. Ich nenne nur ein paar Beschwerdebilder, die viele Schwangere plagen: Übelkeit, Sodbrennen, Hämorrhoiden, Krämpfe oder vorzeitige Wehen lassen sich hervorragend homöopathisch therapieren. Aber auch Stimmungsschwankungen sind hier zu nennen. Nicht vergessen sollten wir Beschwerden, die nichts mit der Schwangerschaft zu tun haben, aber für werdende Mütter ein Problem sind: Ob Kopfschmerzen oder Erkältung – klassische konventionelle Medikamente sind da oft nicht ratsam. Mit der Homöopathie können wir in diesem Fall trotzdem Beschwerden lindern, da es keine unerwünschten Nebenwirkungen für Mutter und das ungeborene Kind gibt.
Wie gehen Sie in Ihrer Sprechstunde vor, wie kann man sich eine homöopathische Sitzung vorstellen?
Die Homöopathie ist eine hochindividuelle Therapie – die Mittel werden genau passend zur jeweiligen Patientin und ihren Beschwerden ausgewählt. Deshalb ist die Anamnese so wichtig. Ich muss herausfinden, welche Beschwerden eher allgemein, welche aber besonders typisch für diese Patientin sind. Zentral für die homöopathische Behandlung ist also die eine Anamnese. Ich höre den Frauen zu, frage nach, möchte genau verstehen, woher ihre Beschwerden kommen, wie sie sich individuell äußern. Dabei sind die klassischen W-Fragen hilfreich: Was haben Sie? Wie äußern sich die Beschwerden? Wodurch verbessern oder verschlechtern sie sich? Wodurch wurden sie ausgelöst? Nehmen wir das Beispiel Brustentzündung nach der Geburt. Ich möchte erfahren, wie sich der Schmerz äußert, ob er stechend, brennend, wechselnd ist. Wo, ob punktuell oder großflächig. Bessert oder verschlechtert sich der Zustand bei Kälte oder Wärme, Ruhe oder Bewegung? Gab es einen ersten Auslöser? Diese allgemeinen Aspekte und Symptome ergänze ich dann noch durch individuelle, wie Durstgefühl, Verdauung, Appetit, etc.
So komme ich dann zu einem sehr individuellen Bild, was mich bei der Auswahl des passenden homöopathischen Mittels leitet. Homöopathen sammeln seit über 200 Jahren ihre Erfahrungen und die wurden zu sehr guten Verzeichnissen zusammengetragen, in denen ich als Therapeutin nachschlagen kann. Natürlich haben sich bestimmte homöopathische Mittel bei häufigen Beschwerdebildern inzwischen auch bei tausenden von Patientinnen bewährt.
Sie haben durch Ihre psychotherapeutische Tätigkeit eine ganzheitliche Blickweise. Was legen Sie Frauen in Sachen Selbstfürsorge ans Herz?
Wir Frauen sollten gut für uns sorgen, auch mal in uns gehen und fragen: Was brauche ich? Mit sich achtsam sein bedeutet, seine eigenen Bedürfnisse nicht aus den Augen zu verlieren. Wenn ihr Körper oder ihre Seele Ihnen mit Beschwerden signalisiert, dass etwas aus der Balance ist: Spüren Sie Ihren Bedürfnissen – etwa nach Ruhe, Erholung, Entspannung – nach und nehmen Sie sie ernst. Das gilt auch bei gynäkologischen Themen, wie etwa einem unerfüllten Kinderwunsch.
Wir Frauen arbeiten oft viel und kümmern uns intensiv um alle, außer um uns selbst. Wir müssen lernen, unsere eigenen Bedürfnisse zu erfüllen, mehr Raum für uns zu öffnen. Etwa, um so Platz für eine Schwangerschaft zu schaffen. Auch in den Wechseljahren fragen sich viele Frauen: Was habe ich erreicht, was will ich jetzt noch? Sie treibt die Sinnsuche um. Das ist wichtig. Sie sollten da ebenfalls auf ihre innere Stimme, ihre Bedürfnisse hören. Das sorgt für innere Ruhe und Erfüllung – und kann nebenbei manche Wechseljahresbeschwerden lösen.
Dr. med. Ute Bullemer ist Fachärztin für Frauenheilkunde mit Zusatzbezeichnung Psychotherapie mit eigener Praxis in München. Sie besitzt die Zulassung als ärztliche Homöopathin und arbeitet als Dozentin für Homöopathie für Ärzte, Apotheker, Hebammen und Heilpraktiker.
Quelle: Deutsche Homöopathie-Union DHU-Arzneimittel (DHU)