Viele Menschen leiden nach einer überstandenen COVID-19 Infektion an einer Folgeerkrankung, dem sogenannten Long-COVID-Syndrom. Eine Forschungsgruppe der Universitätsmedizin Halle hat nun molekulare Hinweise auf verschiedene Subgruppen bei Long-COVID gefunden. Dabei treten Muster auf, die einen möglichen Therapieansatz versprechen. Die Daten legen nahe, dass unterschiedliche Mechanismen zur Entstehung des Syndroms führen, darunter auch eine „Umprogrammierung“ von Immunzellen.

Bei einer Infektion gehören bestimmte Immunzellen, sogenannte Makrophagen, zur ersten Schutzmauer der körpereigenen Abwehrreaktion. Gemeinsam mit deren Vorläufern, den Monozyten, sind sie wichtige Zellen des angeborenen Immunsystems. Entscheidend ist ihre Rolle bei der Aktivierung und Regulation der Immunreaktion, indem sie Immunfaktoren als Botenstoffe ausschütten. Die hallesche Forschungsgruppe um Prof. Dr. Mascha Binder zeigte bereits, dass die Blutkonzentration von drei dieser Immunfaktoren bei Menschen mit Long-COVID-Symptomen erhöht ist. Bisher war nicht klar, in welchem Umfang die Ausschüttung dieser Faktoren gestört ist und man vermutete, dass nicht beseitigte Virusreste im Blut während der akuten COVID-19 Phase die Regulation dieser Immunzellen beeinflussen könnten.
Hinweise auf mehrere Subgruppen von Long-COVID
„In der aktuellen Studie haben wir den Fokus auf weitere entzündungs- sowie fibrosefördernde Immunfaktoren gelegt, die durch Monozyten und Makrophagen ausgeschüttet werden können“, erklärt Dr. Christoph Schultheiß, Erstautor der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin IV der Universitätsmedizin Halle. „Dabei zeigte sich, dass bei Long-COVID die Regulation der Ausschüttung dieser Immunfaktoren erheblich gestört ist.“ Diese ‚Umprogrammierung‘ trat in zwei ausgeprägten Mustern auf, wie die Wissenschaftler herausfanden.
Darüber hinaus wurde die Blutkonzentration des viralen S1 Spike-Proteins, welches das COVID-19 Virus für die Infektion von Zellen nutzt, untersucht. Das ließ sich bei manchen Studienteilnehmenden nach überstandener COVID-19 Infektion nachweisen, insbesondere bei denen mit Long-COVID. Diese Blutwerte zeigten allerdings keinen Zusammenhang zu den entdeckten Mustern der deregulierten Immunreaktion, wie bisher vermutet wurde. „Wir gehen deshalb derzeit von verschiedenen molekularen Subgruppen bei Long-COVID aus, die auf unterschiedliche zugrundeliegende Mechanismen in der Entstehung der Erkrankung zurückzuführen sind“, so Schultheiß.
Individuelle Symptome erlauben bisher keine Rückschlüsse
Bemerkenswert ist zudem, dass die entdeckten Subgruppen scheinbar in keinem Zusammenhang zu den Symptomen der Long-COVID-Erkrankten stehen. „Klinisch ist Long-COVID bereits gut definiert. Nun gilt es, die Mechanismen bei der Entstehung der Krankheit besser zu verstehen und mit dem klinischen Bild zu verknüpfen“, erläutert Prof. Dr. Mascha Binder, Leiterin der Forschungsgruppe und Direktorin der Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin IV der Universitätsmedizin Halle. „Wir konnten mehrere Immunfaktoren im Blut identifizieren und deren Rolle bei Long COVID nochmals unterstreichen. Für einige dieser Faktoren existieren bereits therapeutische Möglichkeiten, um der Deregulierung entgegenzuwirken“, so Binder.
Originalpublikation: Schultheiß C et al. Liquid biomarkers of macrophage dysregulation and circulating spike protein illustrate the biological heterogeneity in patients with post-acute sequelae of COVID-19. J Med Virol 2023; 95(1): e28364. DOI: 10.1002/jmv.28364.
Quelle: Universitätsmedizin Halle (Saale)