Aktionstag Erholsamer Schlaf: „Einfach schlafen!“ ist gar nicht so leicht

Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) nutzt jährlich den 21. Juni als längsten Tag des Jahres für einen eigenen nationalen Schlaftag. Mit dem DGSM-Aktionstag Erholsamer Schlaf will die Gesellschaft kontinuierlich auf die Bedeutung des Themas Schlaf aufmerksam machen und dafür sensibilisieren.

Mit dem DGSM-Aktionstag Erholsamer Schlaf will die Gesellschaft kontinuierlich auf die Bedeutung des Themas Schlaf aufmerksam machen.
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Für Millionen Menschen ist es genau genommen unmöglich, denn sie haben Schlaferkrankungen und Schlafstörungen. Ein- und/oder Durchschlafstörungen, die obstruktive Schlafapnoe und das Restless-Legs-Syndrom können durch die hohe Anzahl an Betroffenen in der Bevölkerung mittlerweile als Volkskrankheiten bezeichnet werden. Es ist ein primäres Ziel der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) den Patientinnen und Patienten Hilfestellung anzubieten, um seriöse, wissenschaftlich untermauerte Inhalte von Mythen über den Schlaf und falschen Angaben zum optimalen Schlafverhalten unterscheiden zu können. Die DGSM will anlässlich ihres Aktionstages Erholsamer Schlaf am 21.6. 2023 über einige populäre „Wundermittel für den Schlaf“ aufklären, Tipps geben, wie man zu natürlichem, gesundem Schlaf zurückfinden kann und wem man bei
Schlafproblemen vertrauen sollte.

Die DGSM nutzt jährlich den 21. Juni als längsten Tag des Jahres für einen eigenen nationalen Schlaftag. Mit dem DGSM-Aktionstag Erholsamer Schlaf will die Gesellschaft kontinuierlich auf die Bedeutung des Themas Schlaf aufmerksam machen und dafür sensibilisieren. Das Motto in diesem Jahr lautet „Einfach schlafen!“ und zielt darauf ab, über grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse zu Schlaf und Schlaferkrankungen zu informieren. Damit
soll Betroffenen und Interessierten Orientierung und Hilfe inmitten des riesigen Marktes von Produkten rund um das Thema Schlaf geboten werden.

Die DGSM ist mit mehr als 2.200 Einzelmitgliedern aus allen Bereichen der Medizin, Psychologie und Naturwissenschaften und mehr als 300 qualitätsgesicherten zertifizierten Schlaflaboratorien die größte schlafmedizinische Fachgesellschaft in Europa.

Zehn Wundermittel für den Schlaf – und was davon wirklich zu halten ist

Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnie) stellen eine der häufigsten Erkrankungen dar und gelten als Volkskrankheit. Epidemiologische Studien zeigen, dass zwischen 6 und 10 % der Bevölkerung eine behandlungsbedürftige Insomnie haben. Nach internationalen Studien leiden mehr als 70 % der
Betroffenen länger als ein Jahr und fast 50 % länger als drei Jahre an dieser Erkrankung. Dies entspricht mindestens fünf Millionen Bundesbürgern. Im deutschen Gesundheitssystem gibt es eine Versorgungslücke für die leitliniengestützte Behandlung der Insomnien, was auch die vorgenannte
hohe Chronifizierungsneigung der Insomnien erklären kann.

Insomnien sind mit zahlreichen Einschränkungen in Bezug auf das psychosoziale Leistungsvermögen, die Gesundheit allgemein und die Lebensqualität verbunden. Es konnte gezeigt werden, dass jährlich bis zu 1,6 Prozent des Bruttosozialproduktes in Deutschland (ca. 50 Milliarden Euro) durch
Absentismus und Präsentismus infolge der Insomnien als volkswirtschaftlicher Schaden entstehen. Die Insomnie ist außerdem assoziiert mit einer erhöhten Anzahl von Arbeits- und Verkehrsunfällen. Die chronische Insomnie ist ein Risikofaktor für die Entwicklung von psychischen Störungen, wie z.B. Depressionen und Angststörungen. In unbehandelter Form stellt die Insomnie bei Depressionen und Alkoholabhängigkeit ein erhöhtes Rückfallrisiko dar. Chronische Insomnien erhöhen zudem das Risiko für körperliche Volkskrankheiten, wie z.B. Herz-Kreislauf und Stoffwechselerkrankungen.

Wieder gesund und natürlich schlafen dank neuester Technik oder alles nur fauler Zauber? „Häufig vermitteln die sich auf dem Markt befindlichen Sleepgadgets dem Nutzer aufgrund ihrer Erscheinungsform einen hochtechnischen und wissenschaftlich fundierten Charakter“, erklärt Dora Triché von der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). Die allerwenigsten dieser Gadgets sind wissenschaftlich erprobt und in ihrer Wirksamkeit evaluiert. Viele Menschen mit Schlafstörungen sind nach dem Kauf enttäuscht, da sich der versprochene Erfolg nicht einstellt. Aus diesem Grunde rät die DGSM von entsprechenden Methoden und Präparate zur Behandlung von Schlafstörungen dringend ab. Vielmehr wird bei Schlafstörungen, welche mindestens 3-mal pro Woche über einen Zeitraum von vier Wochen auftreten, die Konsultation einer in Schlafmedizin erfahren Ärztin oder Arztes bzw. Psychotherapeutin oder Psychotherapeuten empfohlen.

Melatonin-Gummibärchen

Bei Melatonin handelt es sich um kein Schlafmittel im eigentlichen Sinne. Es wirkt auf den circadianen Schlaf-Wach-Rhythmus. Wirksamkeitsstudien zu Präparaten, welche rezeptfrei zu erhalten sind und Melatonin in nur sehr viel geringerer Dosierung enthalten, wie z.B. in Sprays oder Gummibärchen,
liegen nicht vor. Es kann aber eine noch geringere Wirksamkeit vermutet werden. Obwohl Melatonin ein körpereigener Stoff ist, kann über längere Zeiträume oral zugeführtes Melatonin Nebenwirkungen aufweisen. Es wird von Schläfrigkeit, Erschöpfung, Stimmungsschwankungen, Benommenheit,
allgemeiner Schwäche, Schwitzen, Kopfschmerzen, Reizbarkeit/Nervosität, Unruhe, Aggressivität und morgendlicher Müdigkeit, Magen-Darm-Beschwerden, Mundtrockenheit, Gewichtszunahme, Kopfschmerzen, aber auch Schlafstörungen, Albträumen und Anstieg der Leberwerte berichtet.

Phytotherapeutika

Wissenschaftlich belegt ist die Wirksamkeit von pflanzlichen Schlafmitteln nur selten. Dies liegt an fehlenden Studien und wenn diese durchgeführt wurden, dann nur mit schlechter wissenschaftlicher Qualität. Medizinische Leitlinien sehen trotz dieser schlechten Studienlage einen leicht positiven Effekt
von hochdosiertem Baldrian bei leichten Schlafstörungen. Ebenso deuten einzelne Studien über eine Reduzierung der ängstlichen Anspannung in der Bettsituation auf eine einschlafförderliche Wirkung von Lavendelöl bei leichten Schlafstörungen hin. Mischpräparate nach dem Motto „viel hilft viel“
haben eher vernachlässigbare Effekte auf den Schlaf.

Sleeptracker & Smartwatches

Sleeptracker und Smartwatches analysieren in der Regel über die Bewegungshäufigkeit und den Puls den Schlaf und seine Qualität. Mit diesen Parametern können aber nicht, wie häufig suggeriert, verlässliche Aussagen zur Schlafqualität getroffen werden. Studien haben vielmehr gezeigt, dass sich mit diesen Parametern lediglich orientierende Aussagen zur Gesamtschlafmenge, der Einschlafzeit und nächtlichen Wachphasen treffen lassen. „Würde es sich dabei um valide Parameter zur Analyse des Schlafes handeln, würden wir diese längst in der schlafmedizinischen Praxis einsetzen“, so
Schlafmediziner Hans-Günter Weeß.

Gewichtsdecken

Eine Gewichtsdecke ist eine Decke, die zwischen vier und zehn Kilogramm wiegt und auf das vegetative Nervensystem einen sogenannten Tiefendruck („Deep Touch Pressure“) ausüben soll. Es soll in der Folge die Serotoninproduktion angeregt und die Produktion des Stresshormons Cortisol reduziert
werden. Psychologisch gesehen kann eine Gewichtsdecke subjektiv das Gefühl einer „Umarmung“ und damit eine beruhigende und ggf. schlafförderlich wirkende Beruhigung vermitteln. Es gibt wenige Studien, welche bei psychiatrischen Patienten, wie z.B. bei depressiven Menschen, Patienten
mit bipolarer Störung oder generalisierter Angststörung und ADHS einen positiven Effekt auf den Schlaf nahelegen.

Livestream

Mit folgenden Themen:

  • Melatonin-Gummibärchen und Co.
  • Schlafe wie Neandertaler
  • Schlafforschung zwischen Wissenschaftlichkeit und Kommerz
  • Augen zu und durch?

Link zum Livestream: https://www.youtube.com/@ConventusTV/streams

Autoren: PD Dr. Anna Heidbreder, Dr. Dora Triché und Dr. Hans-Günter Weeß, Prof. Till Roenneberg und Luísa K. Pilz

Quelle: DGSM