Der Eintritt in die neue Lebensphase könnte so schön sein: Die Kinder sind aus dem Gröbsten raus, meist sogar schon aus dem Haus – und endlich wäre Zeit für vernachlässigte Hobbys oder um im Beruf noch einmal richtig durchzustarten. Doch während manche Frauen von ihrer hormonellen Umstellung kaum etwas merken, werden viele Frauen durch Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen, Schweißausbrüche oder Schlafstörungen ausgebremst. Die Gynäkologin, Psychotherapeutin und Homöopathin Dr. Ute Bullemer aus München gibt Tipps, wie Frauen die neue Lebensphase kraftvoll und ausgeglichen angehen können. 

Die Gynäkologin, Psychotherapeutin und Homöopathin Dr. Ute Bullemer aus München gibt Tipps, wie Frauen die neue Lebensphase kraftvoll und ausgeglichen angehen können. 
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Was sind die Wechseljahre und wann treten sie in etwa auf?

Dr. Ute Bullemer: Wie der Name schon sagt, geht es um eine Phase, die sich über Jahre erstrecken kann. Ein wichtiger Zeitpunkt ist die letzte Periodenblutung, die wir Menopause nennen. Dieser liegt in Deutschland im Durchschnitt bei 51 Jahren. Aber sie kann auch schon Anfang 40 oder erst Ende 50 eintreten – das ist alles normal. Den Zeitabschnitt vor der letzten Periode nennen wir die Prämenopause. Da gibt es noch Periodenblutungen, aber vielleicht nicht mehr so regelmäßig, und es kann beispielsweise zu Blutungsveränderungen oder zu stärkeren Blutungen kommen. Und dann gibt es die Zeit nach der letzten Periodenblutung, die Postmenopause, in der keine Blutungen mehr auftreten. Dann treten die „klassischen Wechseljahresbeschwerden“, wie beispielsweise Hitzewallungen oder Schwitzen am häufigsten auf. Oft kommen sie auch schon vorher. 

Wer ist am stärksten von Wechseljahresbeschwerden betroffen?

Dr. Ute Bullemer: Das ist ganz individuell, jede Frau erlebt ihre Wechseljahre anders. Ein Drittel aller Frauen verspürt keinerlei Beschwerden, ein Drittel bemerkt nur leichte Symptome, die aber gut auszuhalten sind und keine Behandlung erforderlich machen. Aber: Etwa jede dritte Frau hat in dieser Lebensphase starke Beschwerden, die ihre Lebensqualität deutlich einschränken. Wesentlich ist auch unser gesellschaftliches Bild der Wechseljahre: Diese im Grunde ganz natürliche Lebensphase wird oft problematisiert. Dadurch kann es zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung kommen und mögliche Symptome, die im Grunde ganz harmlos sind, werden als sehr schlimm bewertet.

Sind Wechseljahressymptome auch als eine Art Erklärung des Umfelds zu verstehen – so wie über Frauen im gebärfähigen Alter gesagt wird „die hat bestimmt ihre Tage“?

Dr. Ute Bullemer: Genauso ist es. Wenn Frauen anstrengend werden und Forderungen stellen, wird dies immer gerne abgetan und mit einem Etikett versehen, um sie zu diskreditieren.  

Wie können Frauen die Wechseljahre positiv für sich besetzen?

Dr. Ute Bullemer: Es ist wichtig, die Realität so anzunehmen, wie sie ist. Die Wechseljahre sind nicht pathologisch, sondern eine ganz normale Phase im Leben einer Frau. Die Zeit ist eine Einladung, Akzeptanz zu entwickeln: Akzeptanz von Veränderung und von dem, was gerade ist. Und dem Körper neu zu vertrauen. Denn Symptome, die wir haben, sind eine Art von Sprache und haben eine Bedeutung. Wir können lernen, unseren Körper zu verstehen: Was möchte mein Körper für mich? Es kann auch helfen, sich die körperlichen Symptome genauer anzusehen und diesen eine neue Bedeutung zu geben. Eine spannende Frage ist etwa: ‚Was ist denn eine Hitzewallung?‘. Sie ist doch Energie. Wenn so viel Energie im Körper steckt, muss diese raus. Das ist eine wunderbare Basis, um das eigene Leben zu untersuchen: Wo spüre ich meine Kraft und Energie? Wie setze ich sie um? Oder wofür will ich sie einsetzen? 

Lassen sich viele Wechseljahresbeschwerden auf Stress zurückführen?

Dr. Ute Bullemer: Absolut. Chronischer Stress ist Auslöser für vielfältigste Beschwerden. In der Prämenopause ist das Östrogen im Verhältnis zum Progesteron häufig stärker. Warum das so ist, wissen wir nicht genau. Aber wir wissen, dass Stress das Progesteron vermindert. Und deshalb haben starke Blutungen häufig etwas mit Stress zu tun. Stress ist dabei aber nicht nur der äußere Stress wie Druck bei der Arbeit oder die Doppelbelastung von Beruf und Familie. Wir alle haben innere Stress-Treiber – und die sind oft noch viel stärker: Innere Konflikte, negative Glaubenssätze oder Erwartungen, denen wir nicht entsprechen. Ein häufiger Konflikt ist, sich als nicht gut genug zu empfinden: in der Mutterrolle, im Beruf, als Ehefrau, als Freundin. Dieses Gefühl haben wir häufig schon in der Kindheit erlernt. Daraus kann ein enormer Druck entstehen, in dem Frauen immer das Gefühl haben, noch mehr arbeiten, noch mehr für die Familie tun, noch besser aussehen zu müssen. Daraus entsteht eine enorme Überlastung.

Wie gehen Sie vor, wenn Frauen mit Symptomen wie Schlafstörungen zu Ihnen kommen?

Dr. Ute Bullemer: Ich führe dann zuerst ein Gespräch, und frage genau nach, warum die Frau nicht schlafen kann oder nicht zur Ruhe kommt. Denn das muss mit den Wechseljahren erst mal nichts zu tun haben – das kann auch ein reines Stresssymptom sein. Im Gespräch versuche ich herauszubekommen, ob die Symptome tatsächlich erst jetzt eingesetzt haben. Denn in 95 Prozent der Fälle kennen die Frauen ihre Beschwerden schon länger. Wir müssen vorsichtig sein, denn vieles wird als Wechseljahresbeschwerde abgetan, hat aber ganz andere Ursachen. Zum Beispiel kennen wir alle Stimmungsschwankungen. Und in den Wechseljahren können Gefühlslagen, die sowieso da sind, deutlicher auftreten. Hier müssen wir sehr gut aufpassen, denn Stimmungen haben immer einen triftigen Grund. Wenn etwas im Argen liegt, wollen wir nicht das Gefühl wegtherapieren, sondern genau hinschauen, was dahintersteckt, was für die betroffene Frau nicht in Ordnung ist. 

Gibt es Themen, die besonders häufig in den Wechseljahren aufkommen?

Dr. Ute Bullemer: Bei Frauen, die sich Kinder gewünscht, aber keine bekommen haben, kann dies nochmal präsent werden. Es erfordert oft eine Art Trauerprozess, um sich von diesem unerfüllten Lebenswunsch endgültig zu verabschieden. Auch die körperlichen Veränderungen sind natürlich vielfach ein großes Thema. Aber wenn wir ehrlich sind, haben diese – also, dass die Haut faltiger wird oder wir weniger Kraft haben – nichts mit den Wechseljahren zu tun. Das ist mit dem Älterwerden ganz normal. Aber körperliche Attraktivität bzw. die Sorge nicht mehr attraktiv zu sein, kann für viele Frauen ein großes Thema werden und in dieser Lebensphase entsprechend Raum fordern. 

Wann raten Sie zu einer Behandlung?

Dr. Ute Bullemer: Wenn Frauen sich stark beeinträchtig fühlen, ist es angezeigt, gemeinsam zu schauen, ob therapeutisch unterstützt werden sollte. Wir Fachärzte haben hier eine große Bandbreite an Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung von traditioneller chinesischer Medizin und Phytotherapie, über Homöopathie bis hin zur Hormonersatztherapie. Das bespreche ich mit meinen Patientinnen, so dass diese dann entscheiden können, was sie für sich möchten. Eine Psychotherapie kann angezeigt sein, wenn viele innere Konflikte vorhanden sind. Bei den meisten Frauen genügt es aber schon, diese Dynamik zu erklären und Denkanstöße zu geben. Zum Beispiel auf mehr Selbstfürsorge zu achten: Was brauche ich, damit es mir gut geht? Damit meine ich keine materiellen Bedürfnisse. In aller Regel geht es um mehr Zeit für sich selbst, mehr Entspannung, mehr gute Beziehungen. 

Wie wichtig ist die Homöopathie als Behandlungsoption für Sie?

Dr. Ute Bullemer: Die Homöopathie bietet für viele Frauen eine sehr gute Unterstützung in dieser Phase. Homöopathische Mittel können Wechseljahresbeschwerden häufig sehr gut lindern und die Frauen unterstützen, körperlich wie seelisch wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Viele Frauen möchten heutzutage nicht dauerhaft Hormone nehmen – auch weil damit das Gewicht zunehmen kann oder andere unerwünschte Nebenwirkungen auftreten können – und viele benötigen auch keine. Es geht darum, eine neue Balance zu finden. Hier kann auch Homöopathie zum Einsatz kommen. Denn sie beruht nach ihrem Selbstverständnis auf dem Reiz-Regulationsprinzip: Ein sanfter Reiz gibt dem Organismus einen Impuls und aktiviert so die Eigenregulation. Viele Frauen kommen daher meiner Erfahrung nach mit homöopathischer Behandlung gut durch ihre Wechseljahre.

Die Wechseljahre sind zweifelsohne eine Zeit der starken Veränderung. Aber das kann ja auch positiv sein. Welche Lebensqualitäten können Frauen in dieser Zeit entdecken?

Dr. Ute Bullemer: Immer, wenn etwas zu Ende geht, öffnet sich Raum für Neues. Was ich häufig beobachte: Frauen fangen an, sich zu fragen, was das Leben wirklich für sie bedeutet, wer sie jenseits ihrer Verpflichtungen sind. Damit kann auch ein Fokuswechsel vom Körper zum Geist einhergehen. Ich erlebe oft, dass Frauen dadurch auch innerlich freier werden und nochmal richtig durchstarten, beruflich wie privat. Die Wechseljahre können also sehr spannend und bereichernd sein. 

Quelle: Deutsche Homöopathie-Union DHU-Arzneimittel GmbH & Co. KG (DHU)